Orpheus in der Oberwelt: Eine Schlepperoper

Europa macht dicht. Immer stärker scheint der Wunsch zu werden, sich von der gewaltigen Landmasse im Osten abzugrenzen. Im Südosten übernimmt diese Aufgabe ein Fluss, der durch drei Länder fließt: Evros/Meriç /Marica (auf Griechisch, Türkisch oder Bulgarisch). Als Teil der EU-Außengrenze erlangte dieser Fluss traurige Berühmtheit durch unzählige an seinen Ufern aufgefundene Tote. Zu den Ertrunkenen kommen die Unglücklichen, die in das Minenfeld entlang des griechischen Ufers geraten. Seitdem sich Frontex dieses Grenzabschnitts angenommen hat und den Fluss durch meterhohe Zäune verstärkt hat, müssen die Flüchtlinge wieder die Fahrt übers Mittelmeer wagen. Die Grenzregion dagegen bleibt ein ‚Niemandsland‘, das Flußdelta ist ein Naturparadies, eines der wichtigsten ornithologischen Gebiete der Welt. Es handelt sich um das antike ‚Thrakien‘, das schon in den griechischen Mythen als archaisches Ausland galt. Eines Tages könnte es auch zu Europa gehören, aber noch liegt es, zumindest teilweise, außerhalb. Wie stellt sich Europa aus der Perspektive seiner Mythen dar: Der Weg nach Europa wird zum Gang in die Unterwelt, ins Totenreich. Denn im Fluss Evros trieb laut singend Orpheus‘ Kopf, nachdem er von den Erinnyen zerrissen wurde.
Orpheus‘ Gesang, der seit Monteverdi zur Metapher für die Oper selbst geworden ist, wird zum Klagegesang. Doch die Erinnyen, die sein Gesang nicht besänftigen kann, entstammen keiner archaischen Vorzeit, sondern einer zukünftigen Zivilisation: unserer Gegenwart. Zugleich stellt sich die Frage, ob es nicht die Bürger Europas sind, welche die Rachegöttinnen zu fürchten hätten.
Inspiriert von Monteverdis “L’Orfeo” verschmilzt das Performancekollektiv andcompany&Co. Mythologie und Musik, dokumentarisches Material und namenlose Schicksale zu einer neuen, alten Geschichte: re-membering Orpheus.

Mitwirkende

Künstlerische Leitung: Nicola Nord, Alexander Karschnia, Sascha Sulimma

Von und mit:
Irida Baglanea, Bora Balci, Knut Berger, Juliane Hahn, Alexander Karschnia, Claudia Splitt, Komi Mizrajim Togbonou&Co.
Musik: Sascha Sulimma mit Georg A. Bochow, Susanne Fröhlich, Simon Lenski, Reinier van Houdt
Text: Alexander Karschnia, Nicola Nord&Co.
Bühne/Kostüme: Jan Brokof, João Loureiro&Co.
Licht: Gregor Knüppel&Co.
Technische Leitung: Marc Zeuske
Company Management/Administration: Katja Sonnemann, Sigrid Hilmer
Regieassistenz: Juliane Hahn
Assistenz Bühne: Katharina Korth
Assistenz Kostüm: Denise Majer

Eine Produktion von andcompany&Co. in Koproduktion mit HAU Hebbel am Ufer (Berlin), steirischer herbst festival Graz, Hippodrome Scène nationale de Douai, Mousonturm Frankfurt/Main, FFT Düsseldorf, Ringlokschuppen Ruhr und dem Theater im Pumpenhaus Münster.

Gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes und den Regierenden Bürgermeister von Berlin – Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten.

  • Bora Balci

    1984 in der Türkei geboren. Klassische Gesangsausbildung als Bariton. Graduierte am Staatlichen Konservatorium der Ankara Hacettepe Universität in 2010 sowie dem Opera Studio Nederland, Amsterdam in 2012. Masterclasses u.a. mit Tom Krause (Mozarteum 2008) und Ewa Czermak (Koscezin 2009). Nationale und internationale Auszeichnungen, z. Bsp. Grand Prix des 5. Internationalen Halina-Halska Fijalkowska Wettbewerbs in Polen. Seit 2011 Zusammenarbeit mit dem Opera Studio Nederland, 2012 u.a. Performances bei den Rotterdam Operadagen. 2013 war Bora Balci als „Marcello“ in La Bohème mit der Nationalen Reisopera in den Niederlanden und in Großbritannien auf Tour, sowie als Mitglied der Home Opera in Deutschland zu sehen. Lebt zurzeit in Enschede, NL.

  • Georg A. Bochow

    Der 1991 in Berlin geborene deutsch-russische Countertenor Georg Arssenij Bochow setzte seine Chorknabenkarriere beim Berliner Staats- und Domchor über den Stimmbruch hinweg fort und kam so in Stuttgart unter Begleitung von Dorothea Gloger und dem Altus Matthias Rexroth zum Stimmfach des Countertenors. Seit  Beginn seines Gesangsstudiums bei Prof. Renate Faltin an der Hochschule für Musik Hanns Eisler in Berlin ergänzen diverse Meisterkurse seine Ausbildung. Er erarbeitete und konzertierte er u.a. mit der Lautten-Compagney, unter der Leitung von Wolfgang Katschner, und Johanette Zomer die Händel-Oper Rinaldo, als auch mit Paul Agnew Monteverdis L'incoronazione di Poppea. 2014 gab er außerdem mit der Lautten-Compagney sein Debüt bei den Händelfestspielen in Halle als Oronte in Händels Oper Riccardo Primo unter der Regie von Klara Carus. Georg wirkt auch an zeitgenössischen Opernprojekten mit, zuletzt in der Tischlerei der Deutschen Oper Berlin in der Uraufführung von Evan Gardners Die Unterhändlerin.

  • Jan Brokof

    Geboren 1977 in Schwedt/Oder. Von 1999 bis 2004 Studium der Malerei/Grafik an der Hochschule für Bildende Künste Dresden. Bekannt wurde er mit dem Nachbau seines Schwedter Jugendzimmers im Plattenbau in der Preisausstellung des Marion-Ermer-Preises 2005. Zahlreiche Einzel- und
    Gruppenausstellungen im In- und Ausland u.a. im Folkwang Museum Essen und im Leonhardi-Museum Dresden. Seit 2010 Zusammenarbeit mit andcompany&Co., zuerst im Rahmen der in São Paulo entstandenen Theaterproduktion FatzerBraz als Performer und Bühnenbildner, dann u.a. als
    Bühnenbildner für die Produktionen Wunderkinder und Zur Sache! am DT Göttingen sowie „Der
    (kommende) Aufstand nach Friedrich Schiller“ (2012) und „Black Bismarck“ (2013). Otto-Dix-Preisträger 2012. Jan Brokof lebt und arbeitet in Berlin und wird von der Galerie Baer vertreten.

    http://www.galerie-baer.de/kuenstler/jan-brokof/

  • Susanne Fröhlich

    Geboren 1979 in Passau. Studierte Blockflöte am Conservatorium van Amsterdam bei Paul Leenhouts und erhielt 2004 nach ihrem künstlerisch-pädagogischen Diplom ihr Masterdiplom mit Auszeichnung. Es folgte ein Studium Konzertexamen mit dem Schwerpunkt auf Sololiteratur bei Prof. Gerd Lünenbürger an der Universität der Künste Berlin, das sie im Juni 2008 ebenfalls mit Auszeichnung abschloss. Susanne gibt regelmäßig Konzerte und Workshops inner- und außerhalb Europas. Sie tritt sowohl als Solistin als auch mit den Ensembles QNG – Quartet New Generation (Blockflötenquartett) und U3 (Blockflöte, Cello und Cembalo) auf und wirkte bei zahlreichen Uraufführungen in renommierten europäischen Konzerthäusern und Festivals mit – u.a. bei Projekten mit dem ICTUS Ensemble aus Brüssel und den Neuen Vokalsolisten Stuttgart. Susanne ist Preisträgerin zahlreicher internationaler Wettbewerbe und Stipendien u.a. in Darmstadt, Rotterdam, Krakow, New York und Berlin. Im Jahr 2006/2007 war sie Stipendiatin der Nachwuchsförderung Berliner Kunsthochschulen. Sie lebt und unterrichtet in Berlin und hat seit April 2010 einen Lehrauftrag an der Universität der Künste inne.

  • Alexander Karschnia

    Theatermacher und Autor, Kurator und Gelegenheitsdramaturg. Mitbegründer von andcompany&Co., wo er als Ko-Regisseur und Performer mitwirkt. Er schreibt über und für Theater, u.a. über Brecht, Müller, Schlingensief, Pollesch. Zu seinen Jugendsünden zählen die Erfindung der Frankfurter NachtTanzDemos und die Übernahme von Schlingensiefs Partei CHANCE 2000. Seine Arbeiten zwischen Wissenschaft, Kunst und Aktivismus beinhalten Lecture Performances und die Organisation von Konferenzen wie EUROPA DEN RÄTEN! an der Berliner Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, wo er in der ersten Spielzeit der Intendanz von René Pollesch als Dramaturg tätig war und eine Diskursreihe im Roten Salon kuratierte. Darüber hinaus ist er im Kuratorium der Stiftung KOMMUNIKATIONSAUFBAU tätig und hat den „Albert O. Hirschman Preis für Einmischung, Widerspruch und Erneuerung demokratischer Kultur“ mit ins Leben gerufen. Er ist Herausgeber der Neuausgabe von dessen Schlüsselwerk „Exit, Voice, & Loyalty“. Zurzeit organisiert er die Reihe „Denken für die Zukunft: Der Albert O. Hirschman Effekt“ im Theater im Aufbau Haus.

     

  • Gregor Knüppel

    Gregor Knüppel (geb. 1972 in Frankfurt/Main) studierte Visuelle Kommunikation bei Professor Heiner Blum an der Hochschule für Gestaltung Offenbach und erhielt 2005 am Laban Centre London seinen MA in Scenography. Der Schwerpunkt seiner künstlerischen Arbeiten liegt auf Lichtinstallationen (z.B. Luminale Frankfurt) und Lichtdesign für Tanz und Theater (u.a. seit 2008 für andcompany&Co.). Neben diesen Tätigkeiten arbeitet er als Komponist und Musiker. Seine musikalischen Aktivitäten beinhalten mehrere CD/LP Veröffentlichungen, Klanginstallationen und Livekonzerte (u.a. mit Jan Brokof als Das K.)

  • Simon Lenski

    Der Cellist Simon Lenski (geb. 1977 bei Antwerpen) gründete 1992 die Gruppe DAAU (Die Anarchistische Abendunterhaltung), mit denen er bereits sieben Alben produziert hat und weltweit tourt. Er schreibt Filmmusik und komponierte mehrere Musiken für Performances (z.B. Eisbär / Collateral Damage, Wunderbaum / Venlo). Auf der Bühne arbeitete er zuletzt mit Beide Messies und andcompany&Co. („Der (kommende) Aufstand“) zusammen. Simon Lenski lebt und arbeitet in Antwerpen und Berlin.

  • João Loureiro

    João Eduardo Loureiro studierte Visual Poetics an der School of Communications and Arts der Universität São Paulo (ECA/USP) und Bildende Kunst an der Fundação Armando Álvares Penteado (FAAP). Zahlreiche Einzelausstellungen, darunter „Fim da Primeira Parte“ (Galeria Vermelho, São Paulo 2011) und „Blue Jeans“ (Projeto Octógono de Arte, Pinacoteca do Estado, São Paulo 2009) sowie Gruppenausstellungen, etwa „In Situ – Arte en el Espacio Publico“ (Bariloche 2012) und „MAM na OCA: Arte Brasileira no Acervo“ do Museu de Arte Moderna de São Paulo (2006). Er erhielt in den letzten Jahren mehrere Stipendien und Preise, u.a. gewann er 2010 den Wettbewerb des Cultura Inglesa Festival mit der Installation „Tim Scott, William Tucker e Phillip King“, welche am Centro Britânico Brasileiro in São Paulo gezeigt wurde.

  • Iris Mpaglanea

    Iris wuchs auf Korfu auf. Sie studierte Schauspiel in Athen (am Theatro Technis Karolos Koun und Elliniko Theatro) und arbeitete gleichzeitig als Tänzerin und Sängerin. Sie wirkte in Produktionen am  Theater Embros (von Angelos Frantzis  in 2013 und von Olympia Mitilinaios in 2014) sowie in mehreren Kinofilmen mit. Seit 2010 lebt sie in Berlin, wo sie u.a. am Ballhaus Ost (‚Im Herz der Arbeit‘, Regie Sebastian Mauksch) arbeitete und Theatertherapie studiert.

  • Nicola Nord

    Theatermacherin, Performerin und Sängerin. Nach dem Studium der Theater-, Film- und Medienwissenschaft in Frankfurt am Main, Künstlerinnen-Stipendium bei DasArts, Amsterdam, wo sie mit dem Stück little red (play): herstory abschloss. Mitbegründerin von andcompany&Co., dort arbeitet sie hauptsächlich als Regisseurin, Co-Autorin und Performerin. Lebt in Berlin.

  • Claudia Splitt

    Schauspielerin und Sängerin. Studierte Angewandte Theaterwisssenschaft in Gießen und gründete 1994 die Band MadonnaHipHopMassaker. Neben ihrer Arbeit als Sängerin wirkte sie in zahlreichen Theater-Projekten mit. In Berlin arbeitete sie neben Jörg Laue/Lose Combo u.a. mit Tim Staffel ("Hausarrest“), René Pollesch ("Heidi Hoh", "Insourcing des Zuhause – Menschen in Scheisshotels", „Telefavela“) und John Jesurun („Red House“). 2006 realisierte sie die Solo-Performance „Feedback“, eine Produktion für den Prater der Volksbühne am Rosa-Luxemburg Platz Berlin. 2013 spielte sie  die Rolle der Portia in „Der Kaufmann von Venedig“ (Regie: Claudia Meyer), Deutsches Nationaltheater Weimar, im Februar 2014 wirkte sie in „Dissolved“, einem Performance-Projekt von Florian Feigl & Christopher Hewitt in Zusammenarbeit mit Station House Opera London für die Sophiensäle Berlin mit.  (weitere Infos: www.loopmoss.de)

  • Sascha Sulimma

    Theatermacher, Music-producer, Performer und DJ. Mitbegründer von andcompany&Co., dort arbeitet er hauptsächlich als Musiker, Ko-Regisseur und Performer. Von 1998-2002 veranstaltete er Partyreihen in Clubs in Frankfurt am Main, remixt seit 2002 Brecht und Weill-Fragmente zu BRECHTBEATZ und gründete 2006 das andco.-Soundsystem. Neben den Projekten mit andcompany&Co. produziert er elektronische Musik und spielt DJ Sets. Lebt und arbeitet in Berlin.

  • Komi Mizrajim Togbonou

    Komi wurde 1972 in Remscheid geboren. Als Schauspieler arbeitet der in Berlin lebende Künstler für Bühne, Film und Fernsehen. So war er in verschiedenen Tatorten zu sehen sowie in den Kurzfilmen Ein Teller Suppe (Regie Fred R. Willitzkat) und Elf Onkel (Regie Herbert Fritsch). 2008 spielte er in Christoph Schlingensiefs Eine Kirche der Angst vor dem Fremden in mir. Außerdem leitete er die interkulturelle TheaterSpielWerkstatt am Theater Oberhausen. Komi Togbonou ist Mitglied der Künstlergemeinschaft Marsnetz. Als Musiker arbeitet er unter anderem für Nina Hagen, Die Fantastischen Vier und Thomas D. Er selbst singt in der Soul Boogaloo Band »El Cartel« und der Rockformation »Silberrücken«. Als Gast war Komi Togbonou bereits an Häusern wie dem Theater Bremen, dem Theater Oberhausen,  dem Hans-Otto-Theater in Potsdam und zur Zeit am Theater Heidelberg zu sehen („Einer flog über das Kuckucksnest“).

  • Reinier van Houdt

    Studierte Klavier in Budapest und Den Haag. Er arbeitete u.a. mit den Komponisten John Cage, Alvin Lucier, Luc Ferrari und David Tibet zusammen sowie den Tanzkompanien Leine & Roebaba, Scapino und den Theatercompagnien Hotel Modern, Cryptic, Veenfabriek, Reisopera und seit 2010 mit andcompany&Co. Er leitet das Ensemble MAE, spielt in Current93 und gründete seine eigene Musiktheaterkompanie ZOOGDIER. Lebt und arbeitet in Rotterdam.