Russische Revolution und westlicher Pop

Theater Festival „Pazz“ mit einer Performance über den Kommunismus

Oldenburg – Der Rote Stern strahlt hell über dem Bühnenbild in der Oldenburger Exerzierhalle. Im Hintergrund ist das Lenin-Mausoleum auf dem Roten Platz zu sehen, in dem Lenin im „hundertjährigen Schlaf“ liegt, ähnlich wie Schneewittchen im gläsernen Sarg. Aus diesem „Mausoleum Buffo“ – so heißt das Stück, welches das Performance-Kollektiv „andcompany&Co“ jetzt im Rahmen des „Pazz“-Festivals aufführte – entsteigen die Geister des Kommunismus und Kapitalismus, der russischen Revolution und der westlichen Popkultur.

Für „Mausoleum Buffo“ recherchierte das Kollektiv, das sich 2003 in Frankfurt grün-dete und mittlerweile in Ber-lin lebt, unter anderem in Moskau. Lenin, der dort strah-lend wie eine Glühbirne lag; die Besucher, die am Glassarg nicht stehen bleiben dürfen, sich rastlos an dem Revolutionär vorbei bewegen, sei einer der Ausgangspunkte für „Mausoleum Buffo“ gewesen, erklärte Nicola Nord, Gründungsmitglied von „andcompany&co“ im Anschluss an das Stück.

Alles in Bewegung
Diese Rastlosigkeit habe man auch in das Stück inte­grieren wollen. Was zweifelsohne gelang. Permanent rennen die fünf Performer über die Bühne, bauen diese ständig um; alles ist in Bewegung.

Zwischen den Antipoden Lenin und John Lennon, Sta-lin und Elvis Presley lotet das Kollektiv die Geschichte des 20. Jahrhunderts aus, entwirft ein Bild des Sozialismus, als hätte Walt Disney seine schützende Hand darüber gehalten.

Das gesamte „Mausoleum Buffo“ ist vollgepackt mit Anspielungen und Symbolik. Die Bühne, oft nur von Glühbirnen beleuchtet – jenem Symbol für Lenins Kommunismusgleichung: „Sowjetmacht plus Elektrifizierung des gan-zen Landes“. Texte der Beatles und von Majakowski, surreale Eierkopfmasken, Rap und immer wieder Micky-Maus-Club: Personenkult und Popkultur. Irgendwo dazwischen gliedert sich das Brainstorming von „andcompany&Co“ durch die Geschichte des 20. Jahrhunderts ein. Es wirkt, als hätte ein DJ versucht, darüber einen Remix anzufertigen.

Schnelles Spiel
Die unglaubliche Performance fordert den Zuschauer, bereichert ihn aber auch, wenn er sich auf das schnelle Spiel mit den Versatzstücken einlässt. Denn, auch für ihn gilt das Gleiche, wie in Lenins Mausoleum: Nicht stehen bleiben!

Autor

Tobias Kolb

Veröffentlicht

Nordwest-Zeitung, 2010-04-29