Lenin und Lennon bitten zum Totentanz
Das ist das Finale: Goldfarbene Figuren gleiten am Mausoleum hoch. „I am the walrus“, textete einst Lennon. Hat der Beatle geirrt? Aus dem halb versenkten Mausoleum stolpert ein Eierkopf auf den Roten Platz; Walross-Stoßzähne ragen aus der Schale. Doch das groteske Wesen verkörpert nicht John Lennon. Das Ei winkt wie nur Despoten winken. Der goldene Bart verrät: Da steht Josef Stalin. Und über ihm funkelt ein roter, fünfzackiger Stern. So beginnt im Pumpenhaus eine Expedition Marke „Magical Mystery Tour“.
„Mausoleum Buffo“ heißt das fulminante Finale einer Trilogie, mit der das international umjubelte Performance-Kollektiv „andcompany&Co.“ ins 20. Jahrhundert entführt. Nach „little red (play): ‚herstory’“ und „Time Republic“ in den Jahren 2006 und 2007 folgt nun der Abgesang auf den Kommunismus. Auf dem Roten Platz bitten Lenin und Lennon zum Totentanz. Schade nur, dass das kaum jemand sehen will. Vor den etwa 50 Zuschauern entlädt sich ein krachendes Gewitter der Geistesblitze. Es wird grell, Trommeln donnern, Glühbirnen gleißen. Wir feiern die Ideale des Pop und des Kommunismus! Und dann: Stille, Dunkelheit, Verse. Ernüchterte, brutale Melancholie.
„Mausoleum Buffo“ ist beides, spritzige Hommage an die Utopie und schonungslose Abrechnung mit der Ideologie. Ein hochanspruchsvolles Stück, gespickt mit einem Potpourri an Zitaten von Brecht über die Beatles bis Marx, das schier unfassbare Kräfte entfaltet. Gebannt verfolgen die Zuschauer das 90-minütige Spektakel auf der Bühne, ein ebenso tosendes wie feinsinniges Fest der Kreativität. Der Spannungsbogen reißt nie ab. Anfangs hopsen Eierköpfe aus dem Mausoleum, zum Abschluss gleiten anmutig goldene Gestalten über den Roten Platz und zwischendurch grüßt zwinkernd Micky Mouse mit Pappnase.
Elvis gibt sich die Ehre, und auch Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht erscheinen zum Maskenball. Dann wieder singen psychedelische Fliegenpilze a cappella, vollführen Glühdrähte kecke Choreografien, rätseln Könner der Komik über den Leichnam Lenins. Die ganze Geschichte: eine Collage voll Witz und Ästhetik. Auf Deutsch, Englisch und Russisch sprechen die fünf Darsteller, während sie über die Bühne wirbeln. Die Kulisse ist Avantgarde: eine Synthese aus amerikanischer Showbühne und konstruktivistischer Baukunst, die klug mit Motiven spielt – etwa mit der Sonne am fernen Horizont, dem Symbol des Sozialismus. Geht sie nun eigentlich unter – oder geht sie auf? Gelbe Streifen laufen auf das Mausoleum zu, als es schlussendlich heißt: „Denn nicht darum geht es in diesem Märchen, wer zuerst da war; sondern darum, wer am Ende daran glaubt – alle oder keiner.“ Dann knipst Marx das Licht aus. Genial!