Proben zur Uraufführung von „Wunderkinder“
Kommt das Tonsignal zum Ende der Szene nun aus der Seitenloge, also von außen? Oder doch lieber von der Bühne aus dem Geschehen heraus? Soll ein Gong ertönen oder doch lieber die Triangel? Es sind Feinabstufungen, die das Regiekollektiv „andcompany&co“ am Montagabend, 7. März, auf der großen Bühne des Deutschen Theaters (DT) Göttingen mit dem Ensemble für die Uraufführung „Wunderkinder“ probt, ein musikalischer Parforceritt durch die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts.
Die Entwicklung des Stücks nach dem Film „Wir Wunderkinder“ mit Wolfgang Neuss und Wolfgang Müller ist weit voran geschritten, in den verbliebenen Tagen vor der ersten Vorstellung am Sonnabend, 12. März, sollen vor allen Dingen sogenannte Durchlaufproben angesetzt werden, Testläufe also ohne große Unterbrechungen.
Die Triangel beendet dann schließlich Karl Millers Spiel mit einem Sitzball, dass an Charly Chaplins Tanz mit dem Globus in seinem Film „Der große Diktator“ erinnert. Miller schleicht nach hinten ab, doch er schleicht zu schnell. Nach kurzer Wiederholung trifft er dann den Punkt kurz bevor der Vorhang ganz geschlossen ist.
Die Regisseure Nicola Nord, Alexander Karschnia und Sascha Sulimma sitzen in der Mitte des Zuschauersaals und diskutieren mit den Schauspielern. Dann wieder geben sie Anweisungen, die umgesetzt werden. Karschnia und Sulimma sind gerade von einem Festival in Japan zurückgekehrt (Tageblatt berichtete), Karschnia nach drei Tagen und Nächten ohne Schlaf („Die Zeitverschiebung hat mich völlig durcheinander gebracht“) und 20 Stunden tiefstem Schlummer wieder halbwegs ausgeruht. Jetzt soll noch die Szene in Form gebracht werden, in der der dreistöckige Turm im Zentrum der Bühne mehrfach um die eigene Achse gedreht wird. Wer muss wann aus welchem Fenster in der mittleren Etage schauen? Und die Frage ist zu klären, ob ein Sirenengeheul, das den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs signalisiert, gesungen oder per Megaphon eingespielt wird. Die große Ausgabe des Lautsprechers dröhnt arg laut, wenn sie in Richtung Zuschauerraum gehalten wird, die kleine Variante sorgt für Lacher unter den Schauspielern und Regisseuren. Denn sie ist für das Fußballstadion gedacht und imitiert Fangesänge. Doch erstmal wird das doppelte Gedröhne für gut befunden. Ob das Sirenenduett bei der Premiere noch bestand haben wird, werden die letzten Proben zeigen.
Dann spricht Karschnia mit Hans Kaul, dem musikalischen Leiter des DT, der die Produktion mit Live-Musik begleitet. Noten zu einem Lied fehlen noch. Ob er sie von der CD heraushören soll? Lieber möchte Kaul es aber selbst entwickeln. Karschnia ist einverstanden. Nur wenige Minuten braucht der Musiker, bis die flott auf dem Klavier gespielte Tonfolge steht. Flott ist auch Kauls Auftritt mit dem Akkordeon bei einer dänischen Hochzeit. Voller Inbrunst singt er dazu ein nordisch Lied. Auch hier muss der Ablauf der tanzenden Paare präzise festgelegt werden, auch hier gelingt die Umsetzung den Schauspielern überraschend schnell, das Regietrio bittet zur nächsten Szene.